Meisterliche Alltagsbelehrungen


Dieser Artikel entstand vor etwa einem Jahr – ich hatte ihn vergessen. Mittlerweile sind Motte und ich ein echtes Dream-Team, weil ich ihr gut gehorche und sie meistens das tut, was mich entspannt…

Wie mich ein Hundebesitzer kurzzeitig in der Tiefe erleuchtete

Ich habe einen Hund, Motte. Mit anderthalb Jahren im vollen Saft, flink, nicht dumm und sehr gesellig. Sie ist seit ihrem dritten Lebensmonat bei uns und ich dachte bisher, jedenfalls meistens, sie hätte es ganz gut angetroffen bei uns, respektive bei mir. Ich bin nämlich sowas wie eine vorbildliche, alles gelesen habende, einwandfrei ins Hundehirn gucken könnende, flinke und kluge Besitzerin, der keine Hundespiränzchen fremd sind.

Anders gesagt: Ich erziehe mir einen Wolf mit Sitz und Platz und Bleib und Frisbee und Anti-Anspringtraining, kacken auf Kommando…manchmal, in ganz hellen Stunden, ahnte ich bereits, dass irgendwas mehr schräg als gut ist – aber seit heute, ausgelöst durch eine so unfassbar alltägliche Hund-Mensch-Begegnung, bin ich sicher: Motte hat es wirklich schwer mit mir.

Und das kam so:
Motte lief brav am Rad (natürlich), musste aber mal ins Gebüsch – ich machte sie also frei, hatte aber im Auge, dass uns ein Mann mit etwas kleinerem Hund entgegenkam. Motte liebt Hunde – und musste dann doch nicht so nötig und wollte begeistert loslaufen. Mit ganz viel HIER und Fuß und BLEIB und NEIN hinderte ich sie daran, mit dem angeleinten Hund Kontakt aufzunehmen (das weiß ja jeder, dass unangeleinte und angeleinte Hunde keine gute Begegnung haben KÖNNEN – weshalb ich eben das mit allerlei Gezische und Geraune, fast Geschreie, zu verhindern suchte).

Dieser Hund war entspannt, der Mann ebenso und tat dann, also der Mann, das absolut VERBOTENE. Er blieb stehen, als wir auf gleicher Höhe waren und sagte: „Ja, da sollt ihr euch auch mal begrüßen…“, gab dem Hundchen Leine – Motte war dann SITZ auch wurscht und freute sich ganz kringelig, was Mann und Hunde großartig fanden, auch wenn sich die Leine verhedderte und ganz und gar nicht regelgerecht war.

Wir kamen ins Gespräch, der Mann und ich. So über ganz normale Sachen wie Alter und Mischungsanteile und Kastrationsstände – und dann, ganz unvermittelt, sagte er diesen einen absoluten Erleuchtungssatz – er sagte wortwörtlich: „Ach, dieser Hund ist wirklich wundervoll – er hat so viel Geduld mit mir!“ Ich war wie vom Blitz getroffen, einen Moment sprachlos – er wiederholte ihn nochmal, den ungeheuerlichen Satz, den besten, den ein Hundemensch nur sagen kann…“…er hat so viel Geduld mit mir“…

Ich falle fast um, höre weiter zu, denke eigentlich nicht, sondern weiß: So ist es richtig, nicht im Sinne von perfekt und Hundeschulen-Richtig, sondern im Sinne von wirklich wahr. Nicht Motte ist das Problem, dieser freundliche, witzige, unfassbar lebendige, bewegliche, immer Ausschau nach allem Möglichen haltende Hund, dieses Bündel an Lebensfreude, dieser Hund aller Hunde, der keine Lust hat auf Fuß und PLATZ und SITZ (und es dennoch großartig macht) – nein, nichts an diesem Hund ist schwierig. ICH bin es, die in der Rolle der perfekten Hundefrau erstarrt ist – und ganz vergessen hat, wie wunderbar geduldig dieser Hund von Anfang an mit mir war. Mich nimmt, wie ich bin, mal lästig und lustig, mal interessant und sehr oft furchtbar anstrengend.

Seit diesem Satz bin ich ganz Motte-ruhig. Ich lasse sie in Ruhe, endlich. Meistens jedenfalls, natürlich muss sie manchmal Menschensachen machen und anspringen muss sie die Dame mit der weißen Frühlingshose bitte auch…nur einmal – aber ansonsten höre ich mal auf mit diesem „Mensch zeigt Hund wie das Leben geht“. Ich habe verstanden, du wundervoller Hundemann, ich brauche noch sehr viel Nachsicht von Motte, jeden Tag. Und zum Glück ist sie natürlich die nachsichtigste, klügste, netteste Katzenklo-Umwühlerin der Welt. Und ich bedanke mich, heute zum ersten Mal so, wie es sich gehört.

Verzeih, mein liebstes Mottentier.

Veröffentlicht von

Conny Dollbaum-Paulsen

Präsenzcoach, Unternehmerin, Text- und Wortweberin, und lebendig geprüfte Essentiologin

2 Gedanken zu „Meisterliche Alltagsbelehrungen“

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