Die Yoga-Übung mit dem Tuch


Ja, das gibt es. Und statt wie zu Beginn einer „normalen“ Yogastunde auf einer blanken Matte zu liegen, haben wir es uns in einem von der Decke lässig in den Raum fallenden Tuch bequem gemacht. Wir liegen nicht, wir hängen: bequem, entspannt, gemütlich.

Und nein, Yoga im Tuch ist kein Abhängen, gar Durchhängen – das Tuch ist ein geniales Hilfsmittel, sich tragen zu lassen und in dieser Leichtigkeit zu ganz neuen Haltungen kommen zu können. Die Schwerkraft hat für den Moment die Macht verloren: Ich schwebe frei im Raum und nutze das Tuch, um mich in dieser Leichtigkeit zu recken, zu strecken, zu drehen und auch einzurollen. Selten war ich mehr Yogini als im Tuch, befreit von Erden-Schwer-Kraft.

Überkopf-Übungen und Umkehrhaltungen sind kein Problem – so kann ich die Energie dieser Übungen erleben, wie mir das normalerweise eher nicht gelingt. Statt mich in einer Haltung festzuhalten, kann ich mich in ihr strecken und entspannen. Toll!

Wer „richtige“ Asanas machen will, kann das tun: Auch hier hilft das Tuch an den Stellen, die wegzusacken drohen – ich kann mich am Tuch aufrichten, spüre die Streckung, die Dehnung, die schöne Kraft meines Körpers.

Sehr schön sind auch die Partner*innen-Übungen: Während der eine Mensch bequem im Tuch schwingt, liegt der andere darunter und bewegt, massiert, schiebt und streicht mit Händen und Füßen durch das Tuch hindurch. Das ist für beide Seiten angenehm und auf einzigartige Weise haltend: vom Tuch und der freundlichen Zuwendung getragen ist es leicht, die letzte Anspannung gehen zu lassen.

Vielen Dank an Elske Margraf für dieses wunderbare Erlebnis.
https://www.elskemargraf.de/om-gym/

Sozusagen ein guter Vorsatz: Das WIE vor das WAS zu setzen


Wenn Theorie und Praxis, Klugheit und Witz, spannender Inhalt und gute Form zusammenkommen, entstehen gute Bücher. WIE vor WAS ist eines davon.

Es ist keine neue Erkenntnis, dass unsere innere Haltung die äußeren Geschehnisse formt und dass es deshalb eine gute Idee ist, sich dem Innen zuzuwenden.
Karl-Ludwig Leiter findet über das Formelhafte „WIE vor WAS“ einen Filter, durch den er so unterschiedliche Dinge wie Besitz, Spiritualität, Regeln, Sexualität, Angst oder schickt – dadurch entsteht ein neuer und ungewohnter Blick auf Vertrautes, das WIE tritt hinter dem oft so überbetonten WAS hervor.

So wird schnell deutlich, dass Geld, Besitz, Erleuchtungserfahrung oder Wissen nicht unbedingt Glückszutaten sind – ihnen gemeinsam ist ein materielles WAS, sie sind zähl- und vorzeigbar, äußern sich in Symbolen, Orden und Roben. Ob sie aber glücklich machen und allgemein nützlich sind, hängt nicht damit zusammen, dass es sie gibt, sondern allein damit, WIE der Umgang damit ist.

Die Intention des Buches ist deutlich: Es ist ein freundlich-bestimmter, nicht zu überlesender Appell sich dem WIE zuzuwenden – und weil wir alle so sehr mit dem WAS beschäftigt sind, gibt Karl-Ludwig Leiter auch gleich einen Rat mit dazu, wie denn mehr Wie in unser Leben zu holen ist: Durch Nichts-Tun!
Er plädiert uneingeschränkt dafür zu meditieren – regelmäßig, konsequent und mit der Absicht, präsent im Geist und freundlich im Herzen zu werden, um die Unterscheidung zwischen WIE und WAS so oft wie möglich zu bemerken.

Der Autor ist ein Meister des eindrucksvollen Beispiels, erzählt viele Geschichten aus seinem eigenen Leben, um die Absurdität des menschlichen Suchens (WIE) nach Sicherheit (WAS) nicht nur unterhaltsam, sondern auch berührend zu beschreiben. Seine Geschichten sind die eines ganz normalen Menschen und dennoch besonders, weil er sich schon früh aufmachte, den Stein der Weisen (WAS) in allerlei spirituell-ökologischen Projekten (WIE) zu suchen. Dabei entsteht zeitweise das das Gefühl, er habe keinen Joint, keine Indienreise und kein Öko-Experiment ausgelassen – ihn dabei rückblickend zu begleiten ist amüsant und spannend zugleich.

Dass Karl-Ludwig Leiter dann bei Chögyam Trngpa Rinpoche landete und von ihm als einer der wenigen Europäer als Meditationslehrer autorisiert wurde, zeigt: Hier schreibt einer von Dingen die er inwendig kennt. Das macht Mut, alle Wege zu gehen, die uns hilfreich erscheinen, wenn sie denn nur weniger nach dem WAS, dem zählbaren Ergebnis, als nach dem WIE, der Art und Weise fragen.

Karl-Ludwig Leiter, Wie vor Was
Die Zauberformel für Zufriedenheit und Zuversicht
Arcana Verlag 2014