Poetische Liebesgeschichte: Die Eismacher


Es gibt verschiedene Kategorien von Büchern (hier eine Auswahl):

  • die Anspruchsvollen: schwer zu lesen, inhaltlich erbaulich
  • die Schmöker: sprachlich grenzwertig bis zum gerade noch Erträglichen, unterhaltsam und spannend
  • die Schmonzetten: sprachlich ud inhaltlich seicht und nur als Notration in langen Nächten aushaltbar
  • die Literarischen: sprachkunstvoll, oft nahrhaft bis zur Überforderung
  • die Verkopften: in denen alles stimmt aber wenig berührt
  • und die einfach Guten: sprachlich einwandfrei bis erbaulich, von leichter Hand erzählt, von echten Menschen oder auch ganz groß phantastisch – im Fluss erzählt, mit undenkbaren Überraschungen, Grautönen, hell und dunkel, mit Liebe drin und Hass und echtem Leben – und doch nie ganz in Schwarz.

Eins aus der letzten Kategorie, ist für mich „Die Eismacher“ von Ernest van der Kwast…ein Inder schreibt über Italiener, über ureigene italienische Eismacherkunst, über Fremdsein, Familiendramen, Leidenschaften, über Poesie und die Liebe und die Liebe und das Leben und das alles im Fluss und doch poetisch, überraschend sowieso.

Ernest van der Kwast
Die Eismacher
Random House
19,99

Resonanz


Erste Gedanken zu Hartmut Rosas Buch Resonanz

Resonanz als Gegenstand soziologischer Forschung, also als Gegenstand einer Disziplin, die selten unter Verdacht steht, Anleihen in der Esoterik zu machen.

Hartmut Rosa ist unzufrieden mit den Inhalten der Glücksforschung und auch mit dem, was die Philosophie zur Frage nach dem guten Leben zu sagen hat.

Er will u.a. zeigen, dass ein gutes Leben mehr ist, als die Anhäufung und optimale Nutzung der eigenen Ressourcen – und weil er Wissenschaftler ist, tut er das streng wissenschaftlich.

Soziologie einer Weltbeziehung ist der Untertitel – ja, wie steht es um unsere Beziehung zu uns selbst, zu Natur, zu unseren Mitmenschen? Und kann es sein, dass die in den meisten Coachings und auch der Psychotherapie aktuell so betonten Aspekte von Ressourcen- und Lösungsorientierung genau das zur Folge haben, was sie eigentlich vermeiden wollen: Eine Verstummung der Welt um uns herum? Weil wir nicht in Resonanz gehen, sondern Welt nutzen, uns zu eigen machen, indem wir Ressourcen wie Bildung, Einkommen, Status, Netzwerke und Talente sammeln und hoffen, auf diese Weise glücklicher zu werden.

Auf ökologischer Ebene ist uns das klar? Aber bezogen auf uns als Individuum?

Und ist es nicht so, dass wir verzweifelt versuchen, unsere Bestimmung in der Welt zu erkennen und diese gern als stabilen Faktor unseres Selbst erkennen würden – bei gleichzeitiger Aufforderung, uns permanent zu wandeln, flexibel zu sein?

Wie kann diese Paradoxie gelebt werden, ohne dass wir daran zerbrechen? Wobei: Wir tun es ja, zerbrechen, ausbrennen, verzweifeln.

Wie geht ein Leben ohne ethischen Kontext, ohne selbst-verständliche Zugehörigkeit?

Wir haben uns befreit – von allem, vor allem von Eingebundensein, von Bindung, und vom Resonanzerleben.

Für die Selbstverständlichkeit beraterischer oder therapeutischer Arbeit spielen grundlegende Überlegungen wie diese eine große Rolle – allerdings hat ein Diskurs dieser Art keine Tradition in diesem Kontext.

Achtung: Diese Gedanken haben keinerlei Anspruch darauf, Herrn Rosas großartiges Werk zu erklären oder zu zitieren – ich nutze die daraus entstehenden Gedanken lediglich, um eigenen Überlegungen Raum zu geben. Ich gehe in Resonanz, auch, weil mir immer öfter angst und bange wird ob der Optimierung, Selbstverwirklichungs- und Selbstwirksamkeitwelle, die uns in Beratung, Coaching und Therapie mitzureißen droht.

P.S. Als Gestalttherapeutin und Präsenzcoach bin ich seit vielen Jahren Teil der Lösung wie des Problems

Wer sich verändert verändert die Welt


Das Thema:

Vier Männer, deren Tun weltweit bekannt ist und für engagiertes Handeln steht, lassen die LeserInnen an ihrer Sicht auf die Welt und darauf, wie diese denn wohl etwas friedlicher und besser werden kann. Dabei ist der Ansatz bei allen gleich: Weil wir Menschen die Welt prägen und verändern und weil wir dies gerade bezogen auf ökologische und soziale Aspekte auf wenig erfreuliche Weise tun, kann eine Veränderung nur geschehen, wenn genau wir Menschen uns verändern. Und das kann immer nur innen stattfinden, in jeder Einzelnen – so weit die These.

Das Besondere:

Alle vier Männer (leider ist keine Frau dabei) beschreiben ihren eigenen Weg, wie sie selbst Veränderung in sich beginnen- sie öffnen ihre Schatztruhe und zeigen den Lesern, was sie inspiriert, was ihnen Mut macht, welche Projekte sie begeistern und geben jeweils drei sehr einfache Tipps zum „Sich-selbst-verändern“

Empfehlenswert weil:

Das Buch ist leicht zu lesen, enthält sehr viele Hinweis und Quellen vor allem bezogen auf Forschungsergebnisse zu Achtsamkeit und Mitgefühl – außerdem macht das Buch Mut, angesichts in der Tat nicht einfacher Umstände dorthin zu gehen, wo sicher, real und sozusagen in der Gegenwart, also sofort, etwas zu verändern ist: Im eigenen Inneren.

Empfehlenswert für:

Alle, die nicht verzweifeln, sondern hoffen wollen, auch für alle, die Inspiration benötigen und für alle, die viele Adressen und Empfehlungen zu Weltverbesserungs-Projekten suchen.
Big Points:

Dicke Punkte gibt es für die persönliche Ansprache, die vielen kleinen Zitate und Empfehlungen und für den Mut-Mach-Bonus, Abzug für den verschwenderischen und gar nicht ökologischen Umgang mit Papier, denn die Buchstaben sind groß und die Seitenränder breit – deshalb ist auch der Preis mit 19,99 als gebundene Ausgabe ein wenig hoch.

Christophe Andre, Jon Kabat-Zinn, Pierre Rabhi, Mathieu Ricard
Wer sich verändert verändert die Welt
Kösel Verlag

Sozusagen ein guter Vorsatz: Das WIE vor das WAS zu setzen


Wenn Theorie und Praxis, Klugheit und Witz, spannender Inhalt und gute Form zusammenkommen, entstehen gute Bücher. WIE vor WAS ist eines davon.

Es ist keine neue Erkenntnis, dass unsere innere Haltung die äußeren Geschehnisse formt und dass es deshalb eine gute Idee ist, sich dem Innen zuzuwenden.
Karl-Ludwig Leiter findet über das Formelhafte „WIE vor WAS“ einen Filter, durch den er so unterschiedliche Dinge wie Besitz, Spiritualität, Regeln, Sexualität, Angst oder schickt – dadurch entsteht ein neuer und ungewohnter Blick auf Vertrautes, das WIE tritt hinter dem oft so überbetonten WAS hervor.

So wird schnell deutlich, dass Geld, Besitz, Erleuchtungserfahrung oder Wissen nicht unbedingt Glückszutaten sind – ihnen gemeinsam ist ein materielles WAS, sie sind zähl- und vorzeigbar, äußern sich in Symbolen, Orden und Roben. Ob sie aber glücklich machen und allgemein nützlich sind, hängt nicht damit zusammen, dass es sie gibt, sondern allein damit, WIE der Umgang damit ist.

Die Intention des Buches ist deutlich: Es ist ein freundlich-bestimmter, nicht zu überlesender Appell sich dem WIE zuzuwenden – und weil wir alle so sehr mit dem WAS beschäftigt sind, gibt Karl-Ludwig Leiter auch gleich einen Rat mit dazu, wie denn mehr Wie in unser Leben zu holen ist: Durch Nichts-Tun!
Er plädiert uneingeschränkt dafür zu meditieren – regelmäßig, konsequent und mit der Absicht, präsent im Geist und freundlich im Herzen zu werden, um die Unterscheidung zwischen WIE und WAS so oft wie möglich zu bemerken.

Der Autor ist ein Meister des eindrucksvollen Beispiels, erzählt viele Geschichten aus seinem eigenen Leben, um die Absurdität des menschlichen Suchens (WIE) nach Sicherheit (WAS) nicht nur unterhaltsam, sondern auch berührend zu beschreiben. Seine Geschichten sind die eines ganz normalen Menschen und dennoch besonders, weil er sich schon früh aufmachte, den Stein der Weisen (WAS) in allerlei spirituell-ökologischen Projekten (WIE) zu suchen. Dabei entsteht zeitweise das das Gefühl, er habe keinen Joint, keine Indienreise und kein Öko-Experiment ausgelassen – ihn dabei rückblickend zu begleiten ist amüsant und spannend zugleich.

Dass Karl-Ludwig Leiter dann bei Chögyam Trngpa Rinpoche landete und von ihm als einer der wenigen Europäer als Meditationslehrer autorisiert wurde, zeigt: Hier schreibt einer von Dingen die er inwendig kennt. Das macht Mut, alle Wege zu gehen, die uns hilfreich erscheinen, wenn sie denn nur weniger nach dem WAS, dem zählbaren Ergebnis, als nach dem WIE, der Art und Weise fragen.

Karl-Ludwig Leiter, Wie vor Was
Die Zauberformel für Zufriedenheit und Zuversicht
Arcana Verlag 2014

Das Zen des glücklichen Arbeitens


Zen und ArbeitEin Buch für alle mit und ohne Zen-Erfahrung

Spirituelles Zen und profane Arbeit – ob das zusammen geht?
Und dann noch als eine Art Ratgeber?
Und wie das geht!

Es geht schon deshalb besonders gut, weil es im Zen diese Unterscheidung zwischen „Heiligem“ und „Profanen“ gar nicht gibt!
Wer nicht den besten Arbeitsplatz der Welt hat – oder das zumindest so empfindet, könnte mit Peter Steiners Buch „Das Zen des glücklichen Arbeitens“ eine (glückliche) Überraschung erleben.

Alle anderen, die auf angenehme Weise erinnert werden wollen, wie Leben einfacher und klarer gelebt werden kann, sollten sich dieses gelungene Buch ebenfalls am besten heute noch kaufen.
„Denn im Grunde ist alles ganz einfach – unser Leben wird von dem geprägt, was wir regelmäßig tun…und so formuliert sich der …Zen-Grundsatz „Wir sind das, was wir regelmäßig tun.“
Aus diesem kargen Satz läßt ich viel ableiten – vor allem Steiners angenehm wenig missionierender Vorschlag, durch das regelmäßige Üben des Zen schlicht eine andere Grundhaltung einnehmen zu können.
Ja, es gibt sie, die wenig erfüllenden Brotjobs, die fürchterlichen ChefInnen, das schwierige Team und die nicht angemessene Bezahlung. Und?
Bezogen auf das Zitat oben können wir mit konstanter Regelmäßigkeit darüber lamentieren und uns grämen – tagein, tagaus – sehr regelmäßig also.
Wir können aber auch eine täglich Lamentierpause von 25 Minuten einrichten, in der wir ZaZen üben – wach, bewusst und in Ruhe. In dieser absichtslosen Zeit (was für eine Idee…) kann Bewusstsein entstehen für das, was gerade ist – ohne Geschichte dazu – einfach nur: Sitzen, atmen, sein!
„Das ist es, was ich am Zen so beeindruckend finde: Ich muss einfach nur still sitzen. Nichts tun. Atmen. Achtsam sein….Alles wird einfacher und offensichtlicher.“

Steiner schreibt aus dem einfachen und klaren Geist des Zen:
Ohne Rat, ohne langatmige Belehrungen, ohne Vorschriften und vor allem ohne vorzugeben zu wissen, wohin die Reise der LeserIn gehen kann oder gar soll. Er beschreibt einfach und klar, was passieren kann, wenn wir uns entscheiden, der Klärung des Geistes ein halbe Stunde am Tag zu widmen.
Dabei ist es nicht nötig, zum Zen-Schüler zu werden oder auf buddhistischen Pfaden zu wandeln – es ist mehr die Geisteshaltung, als die Tradition des Zen, die Steiner hier vorstellt.

So einfach ist das? So einfach ist das – es muss nur…getan werden.

Peter Steiner
Das Zen des glücklichen Arbeitens
Mehr Sinn und Zufriedenheit in Job und Alltag
Theseus Verlag
€ 12,95

Erstveröffentlichung 26. Februar 2013 von Conny Dollbaum auf www.heilnetz-owl.de